Berlusconi

From: Karsten Johansen (kvjohans@online.no)
Date: 15-07-01


Kulturdager under mottoet "Fjærpennen, sverdet, blodet". Det høres moderne
ut,
ikkesant? Et regjerende parti uten valg til ledelse eller andre organer,
med en
ledelse rekruttert fra toppen av den karismatiske føreren, som har tilropt
en mann i rullestol: "Reis deg opp og gå!". Som beholder kontrollen med 3/4
av landets medier og omformer rettsapparatet slik at han ikke kan
rettsforfølges for anklager om kriminalitet. Dette er dagens Italia, ikke
Mussolinis, ikke et latinamerikansk militærdiktatur.

Karsten Johansen

http://www.taz.de/pt/2001/07/10/a0116.nf/text

Berlusconi wird unterschätzt

Italien und die EU beruhigen sich damit, dass Berlusconi den soliden
Staatsmann mimt. Doch tatsächlich plant er einen Regimewechsel und strebt
eine plebiszitäre Autokratie an

Was ist mit Silvio Berlusconi los? Diese Frage treibt vor allem seine
Opponenten um, die ihre Gegner aus dem Wahlkampf kaum wieder erkennen. Wo
ist der schrille Populist, der Italien vom "kommunistischen Regime" befreien
wollte? Wo der Angeber, der sich zum "besten Politiker der Welt" ernannte?
Der ein "neues italienisches Wunder" verhieß? Und dabei auch vor
Geschmacklosigkeiten nicht zurückschreckte? So rief er einem Rollstuhlfahrer
zu: "Stehe auf und gehe!"

Und wo ist der Berlusconi von 1994? Damals hatte er wie ein Bulldozer die
Amtsgeschäfte als Ministerpräsident übernommen. Als "vom Herrn Gesalbter"
führte er Krieg an allen Fronten: mit der Opposition, den Gewerkschaften,
der Justiz, dem Koalitionspartner Lega Nord. Und das Feuer wurde erwidert:
Die Gewerkschaften organisierten gegen Berlusconis Rentenreform die größte
Kundgebung der italienischen Nachkriegsgeschichte, die Mailänder
Staatsanwälte schickten ihm ausgerechnet zum G-8-Gipfel in Neapel einen
Ermittlungsbescheid, Umberto Bossi von der Lega beschimpfte ihn als Mann der
Cosa Nostra und brach nach nur sieben Monaten das Regierungsbündnis.
Vergällt wurde Berlusconi das neue Amt auch durch das internationale
Misstrauen.

Telekratie? Mediendiktatur? Bruch mit der gewohnten Parteiendemokratie?
Plebiszitär-populistische Legitimierung à la Peron? Bruch des
antifaschistischen Nachkriegskonsens in Westeuropa? Europa hatte 1994 seinen
"Fall Italien". Unterwerfung der staatlichen TV-Anstalt RAI, Domestizierung
der Justiz durch ein Amnestiedekret für Korruptionsdelikte, satte
Steuergeschenke für Unternehmen - der staatsanwaltschaftlich verfolgte
TV-Milliardär Berlusconi nährte den Eindruck, er nutze die politische Macht,
um erstens seine persönlichen Probleme zu bereinigen und zweitens Italien
ein neues Regime zu bescheren.

Von Regimewechsel ist dagegen im Jahr 2001 anscheinend nichts zu spüren.
Ebenso unvermittelt wie hartnäckig präsentiert sich Berlusconi als
Staatsmann. Konzilianz gegenüber der Opposition, Kontinuitätsversprechen in
der Außenpolitik, Kooperationsangebote an die Gewerkschaften - Berlusconi
ist mit Erfolg dabei, seine Machtübernahme als demokratischen Alltag zu
inszenieren. Doch in der Sache hat sich gegenüber 1994 wenig geändert. Die
Anomalien von gestern sind die von heute.

Stichwort TV-Unternehmer. Berlusconi selbst bezeichnet es immer wieder als
Mär, dass die Kontrolle über seine drei Privatkanäle - und dazu demnächst
noch über die RAI - ihm ein Meinungsmonopol verschaffe und die Demokratie
gefährde. Schließlich hätten die Wähler damit kein Problem und schließlich
seien ausgerechnet bei seiner Anstalt Mediaset viele linke Journalisten
angestellt. Deshalb wohl tut er wieder alles, um die Kontrolle über seinen
angeblichen Rotfunk und seine anderen Medienbeteiligungen nicht zu
verlieren. Anders als 1994 lässt er sich Zeit bei der Eroberung der RAI.
Warum auch Eile zeigen? Schon jetzt bringt RAI 1 täglich servile Berichte
über den neuen Herrn.

Stichwort Justiz. Weiterhin ermitteln Mailands Staatsanwälte gegen
Berlusconi wegen Bilanzfälschung und Korruption. Weiterhin auch plant der
neue Ministerpräsident eine Justizreform, die die Ermittlungsbehörden an die
Kette der Exekutive legt. Doch laute Töne, hässliche Amnestiedekrete erspart
er sich diesmal. Mit Grund: Anders als 1994 besteht keine Gefahr, anders als
damals dürfen die Staatsanwälte nicht mehr damit rechnen, dass die Massen
ihren Kampf gegen die Korruption breit unterstützen. Denn Berlusconi ist es
gelungen, durch pure Wiederholung glaubhaft zu machen, die Verfahren gegen
ihn seien recht eigentlich "politische Verfolgung".

Stichwort Forza Italia. Berlusconis Geschöpf ist so undemokratisch verfasst
wie eh und je. Wäre das Wort nicht so hässlich - man wäre versucht, von
einer Führerpartei zu reden. Forza Italia kommt ohne Parteitage, ohne Wahl
der Parteispitze, ohne demokratische Nominierung der Kandidaten aus; die
wichtigsten Sitzungen der Parteispitze finden gleich dort statt, wo sie
hingehören: in Berlusconis Wohnzimmer.

Stichwort Koalitionspartner. Gianfranco Fini von Alleanza Nazionale hebt
nicht mehr den Arm zum römischen Gruß, und er nennt Mussolini auch nicht
mehr, wie noch 1994, den "größten Staatsmann des Jahrhunderts". Die
Exfaschisten geben sich manierlich - zugleich aber setzen sie darauf, die
Grenze zwischen Faschismus und Demokratie aufzuweichen. Sie lassen auf
staatlich gesponserten Kulturtagungen unter dem schönen Titel "Die Feder,
das Schwert, das Blut" den japanischen Poeten Mishima feiern, der sich zum
Ruhme Nippons 1968 selbst entleibt hatte, oder veranstalten Buchschauen über
"antikonformistische Verlage" aus der Naziecke. Die Lega Nord tut erst gar
nicht so, als sei sie gewendet; sie hetzt eifrig weiter gegen
"Islam-Invasion" und die EU ("Sowjetunion Europa").

Nicht Berlusconi hat sich geändert, sondern sein Umfeld. 1994 war seine
Macht noch schwach, gründete sich auf einer noch nicht gefestigten Bewegung,
war von außen (Justiz, Gewerkschaften) wie von innen (Koalitionspartner Lega
Nord) bedroht. Da gab es keine Alternative zur Konfrontation an allen
Fronten, da musste Berlusconi auf Polarisierung und Mobilisierung seiner
Anhänger setzen. Ein Szenario wie vor sieben Jahren droht Berlusconi heute
nicht: Die Staatsanwälte können ihm nicht mehr gefährlich werden, die
Gewerkschaften sind gespalten, die dezimierte Lega Nord hat ihr
Drohpotenzial weit gehend verloren. Es ist deshalb kein Ausweis von
Schwäche, von Domestizierung gar, wenn der gleiche Mann nun zum vorgeblichen
"Christdemokraten" mutiert. Er setzt heiter-gelassen auf Zeit - weil er sie
hat. Ohne Radau wird Berlusconi sich eigenen Interessen widmen, zum Beispiel
durch ein neues Mediengesetz, durch die Streichung lästiger Straftatbestände
wie Bilanzfälschung, durch die Beschneidung der Unabhängigkeit der Justiz.
Und dann geht es adagio ans Projekt "Unternehmen Italien".

Gleich zweierlei meint der neue Herr damit. Erstens kennt Berlusconi nur das
Interesse der Unternehmen - deshalb ist für die Felder Sozialstaat,
Arbeitnehmerrechte, Gewerkschaftsmacht schon eine kräftige "Lichtung des
Unterholzes" angesagt. Zweitens würde Berlusconi gern auch den Staat selbst
wie ein Unternehmen führen. Langwierige Prozeduren, Vermittelei in Parteien
und Parlamentsausschüssen?

Nichts für den Mann der Tat, der erst im eigenen Unternehmen, dann in seiner
Partei die Autokratie schätzen lernte. Seine Wahlkämpfe führte er bisher
schon als Plebiszite - und nun soll der plebiszitär-autoritäre Umbau der
Verfassung her. Ihr Kernstück soll die Direktwahl des Präsidenten durchs
Volk sein. Dann wäre Berlusconis Werk komplett. Dann könnte er mit straffer
Hand den schlanken Staat durchsetzen und als echter Chef das Unternehmen
Italien sanieren. MICHAEL BRAUN

taz Nr. 6492 vom 10.7.2001, Seite 12, 241 Kommentar, MICHAEL BRAUN,
taz-Debatte



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