For langt?

From: Karsten Johansen (kvjohans@online.no)
Date: Thu Jan 04 2001 - 23:04:41 MET


Tillat meg å presentere for forumet, før lyset evt. slukkes her av krefter
som er kun alt for velkjente, et alternativ til det manglende oppgjør med
fortiden som f.eks. Pål Steigan representerer. En artikel av den gamle og
frafalne ml-lederen Christian Semler i dagens taz om begivenhetene i
Tsjekko, som ethvert noenlunde politisk tenkende hode (men dem er det mangel
på i "Norge", om ikke i Norge) kan se er av stor betydning, viser hva som
mangler HELT i restene av den "norske" ml-bevegelsen og den øvrige
offisielle venstresiden her til lands.

Hvorfor har jeg brakt så mye hit til dette torget? For å sitere Wolf
Biermann: "Når noen hele tiden med stor besluttsomhet går for KORT, da vil
også andre, ja da vil også andre gå for LANGT."

Slik lyder min "unnskyldning" (vi lever i en verden der man må unnskylde
seg for å ha sine meningers mot, selv i de beste kretser. Politiske angrep
på autoriteter tåles dårlig, så tal pent om dem).

Og så ordet til kammerat Semler (hvis artikkel jeg gjerne oversetter hvis
det ønskes).

Karsten Johansen

http://www.taz.de/tpl/2001/01/05.nf/text.Tname,a0109.list,TAZ_me.idx,0

Von der Idee zur Tat

Die Besetzung der tschechischen Fernsehstudios ist keine "nachholende
Revolution", sondern eine konsequente Fortsetzung des demokratischen
Aufbegehrens von 1989

Man glaubte, wieder das vieltausendfache Klingen der Schlüsselbunde zu
hören, die im November 1989 auf dem Prager Wenzelsplatz dem
realsozialistischen Regime der Tschechoslowakei das Totenglöcklein geläutet
hatten. Plötzlich, unerwartet war es wieder da, das massenhafte Engagement
der Bürger für die Demokratie. Ausgerechnet in Tschechien! Galt es nicht als
ausgemacht, dass der Enthusiasmus, der der samtenen Revolution zu ihrer
unwiderstehlichen Schwungkraft verholfen hatte, vollständig dahingegangen
war? Dass die Idee der Zivilgesellschaft entzaubert, dass sie im
öffentlichen Bewusstsein mit der Marktgesellschaft sans phrase identifiziert
wurde? Dass die Bevölkerung, missmutig zwar und oft auch angeekelt, sich in
den Parteienstaat der Tschechischen Republik geschickt hat - als einzige
Alternative zum Realsozialismus?

Natürlich, begeisterte Zuschauer der Solidaritätsbewegung für die
tschechischen Fernsehleute aus dem Westen sollten sich in Vorsicht üben, vor
allem wenn sie der Linken anhängen. Ihre Hoffnungen auf einen dritten,
demokratisch-sozialistischen Weg der ostmitteleuropäischen Revolutionen
jenseits von Kapitalismus und Realsozialismus, also auch jenseits der
Grenzen der westlichen Parteienstaaten, waren stets mehr von ihren eigenen
Bedürfnissen diktiert als von denen der Völker, die das Fest der friedlichen
Revolution veranstalteten. Und dennoch (und bei aller selbst auferlegter
Zurückhaltung): Wir haben bei der gegenwärtigen Protestbewegung in Prag
genau ein Beispiel für die Wirksamkeit zivilgesellschaftlichen Protests
jenseits des institutionalisierten politischen Spiels vor uns; mit einem
Widerstandskern, den streikenden Journalisten, die wie selbstverständlich
zum Mittel des zivilen Ungehorsams, zu Besetzungsaktionen, zum produktiven
Streik greifen; und mit einer vielgestaltigen, selbstbewussten
Unterstützerschar, die es beim einmaligen, papierenen Protest nicht bewenden
lässt?

Die vielfach geäußerte Erklärung, der Grund für andauernde Protestbewegung
liege in der faktischen großen Koalition, die Tschechien regiert, sie
stimmt, aber wirft sie ein hinreichendes Licht auf die so erfreulichen
Prager Ereignisse? Dass sich die Neoliberalen um Václav Klaus ihre
Unterstützung der sozialdemokratischen Minderheitsregierung Milos Zemans mit
jeder Menge Druckposten, darunter auch im öffentlichen Fernsehen, bezahlen
lassen, ist offensichtlich. Wie überhaupt der Mangel einer effektiven
parlamentarischen Opposition außerparlamentarische Bewegungen ins Kraut
schießen lässt: Da sind die Bundesrepublik Deutschland zu Zeiten der großen
Koalition (1966 - 1969) ein lehrreiches Beispiel und jetzt auch Tschechien.

Hier vor allem liegt der Unterschied zur Entwicklung in Polen. Die
aufeinander folgenden Regierungen der nachsozialistischen polnischen
Republik haben sich jeweis schamlos die öffentlichen Medien unter den Nagel
gerissen, Intendantenposten und Aufsichtsgremien wechselten die politischen
Farben, ohne dass sich nachhaltiger gesellschaftlicher Protest erhoben
hätte. Die skrupellosen Machtpolitiker, das war und ist die jeweils andere
Parteiengruppe. Obwohl sich die programmatischen Unterschiede zwischen der
Post-Solidarnosc-Gruppierung, der konservativen AWS und den
postkommunistischen sozialdemokratischen Linken der SLD immer mehr
verwischen, hält sich in der Gesellschaft ein starkes Bewusstsein von der
Konfrontation zweier Lager.

Seltsamerweise wird aber auch im Milieu der polnischen Journalisten kaum
organisierter Unmut laut über den Stand der Dinge. Gewerkschaftliche
Organisierung von Journalisten ist faktisch nichtexistent. Visuelle und
Printmedienarbeiter akzeptieren vollständig das Spiel der Marktkräfte und
dessen angebliche und wirkliche ökonomischen Zwänge. Themen wie das der
Eigentumsverhältnisse an der Presse und redaktionelle Unabhängigkeit lassen
die Journalisten kalt. Und wenn es einmal eine Aufwallung gibt, dann ist sie
eher nationalistischen Befürchtungen hinsichtlich der Übermacht deutscher
Zeitungsinvestoren geschuldet als der Sorge um die Pressefreiheit. In der
Zeit der Solidarnosc 1980/81 gab es dagegen ein lebendiges Bewusstsein von
der Bedeutung selbst verwalteter, unabhängiger Medien. Die damaligen
Forderungen standen im Zeichen des antitotalitären Kampfs. Heute hingegen
herrscht die ersehnte westliche Normalität.

Gerade hierin scheint der Unterschied bei Journalisten und Publikum in Polen
und Tschechien zu liegen. Worauf soll sich die 1989 erkämpfte Demokratie
stützen? Welche Rolle sollen eigentlich gesellschaftliche Kräfte spielen,
die zwischen den gesellschaftlichen und staatlichen Großorganisationen
agieren, die durch ihre Aktions- wie ihre Organisationsformen als locker
ausgeworfene Netze der machtpolitischen Erstarrung entgegenwirken?

Man hat dem tschechischen Präsideten Václav Havel oft vorgeworfen, er sei
teils freiwillig, teils gezwungen, den Idealen der "civil society" aus
seiner Dissidentenzeit untreu geworden, habe sich mit leeren philosophischen
Bekenntnissen und einigen bissigen Bemerkungen gegen die Mafiosi der
Übergangsperiode zu Kapitalismus und Markt begnügt. Jetzt zeigt die
Solidarität des Präsidenten mit den Streikenden, dass das Regierungsamt
nicht alle Einsichten weggespült hat. Havel ist Realist, was die
Alltagsmoral seiner Tschechen (und nicht nur der Tschechen) anbelangt. Aber
schon vor vier Jahren sprach er von seinen Landsleuten als Wesen, "die gern
drei Privatisierungsfonds gegen ein freundliches Lächeln oder liebevolles
Streicheln eintauschen", die zwar in der Lage sind, auf alle Grundregeln des
menschlichen Zusammenlebens zu spucken, aber gleichzeitig "uneigennützig am
öffentlichen Leben teilnehmen und den Nächsten Gutes tun wollen".

Das schon erledigt geglaubte Thema "Was bleibt von den demokratischen
Revolutionen des Jahres 89" ist auf dem Wenzelsplatz und im
Nachrichtenstudio des Fernsehens wieder auf die Tagesordnung gesetzt worden.
Auch die Kritik am oligarchischen Parteienstaat und seiner Tendenz, die
öffentliche Sphäre mit Haut und Haaren aufzufressen. Timothy Garton Ash, der
teilnehmende Beobachter der demokratischen Revolutionen von 1989, hatte
Unrecht, als er den damaligen Volksbewegungen nur eine Originalität der
Mittel (die "sanften"), nicht aber der politischen Zwecke zugestand.
Offenkundig hat das Bewusstsein von der Notwendigkeit, das "gemeine Wohl"
zur eigenen Sache zu machen, nur einen kurzen, mehrjährigen Mittagsschlaf
gehalten. Es geht hier um Probleme der Übergangsgesellschaften, nicht um
eine "nachholende Revolution". Die Tschechen haben uns einiges in Sachen
Zivilgesellschaft und Parteienstaat mitzuteilen. Oder sind wir mit unserem
Parteiensystem zufrieden? Und vor allem: Sind bei uns Bürgermut und
Bürgerengagement so überragend ausgeprägt, wie sie es sein sollten?

CHRISTIAN SEMLER

taz Nr. 6338 vom 5.1.2001, Seite 11, 241 Zeilen Kommentar CHRISTIAN SEMLER ,
taz-Debatte



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