klimafilibuster fra Bush IIs underdogs

From: Karsten Johansen (kvjohans@online.no)
Date: 22-07-01


Japan, Kanada og Saudiarabia trenerer målbevisst og utspekulert enhver rest
av klimaavtale, og får til dette god hjelp av EUs forhandlingsleder Pronk.

Fra disse underdog-reservister i propagandaapparatet til verdens ledende
medieidiot (Bush II) skal man ikke vente seg annet enn kosmetisk løsprat
og katastrofer.

Karsten Johansen

http://www.taz.de/pt/2001/07/23/a0095.nf/text

Last Minute beim Klimagipfel

aus Bonn MATTHIAS URBACH

Nervös rückt Jan Pronk die Krawatte zurecht, zupft an seiner Nase. Dies soll
sein großer Moment werden: Der holländische Tagungspräsident will dem Kreis
der 35 Umweltminister seinen Kompromissvorschlag vorlegen. Es ist
Samstagabend, 10 Uhr. Zweimal hat Pronk die Sitzung verschoben, denn diesmal
muss jeder Satz sitzen. Sein Vorschlag soll der alles entscheidende werden.

Doch bevor Pronk seinen Text verteilt, richtet er ein paar mahnende Worte an
die Ministerrunde. "Reagieren Sie nicht zu schnell, diskutieren Sie erst
ausführlich in ihren Ländergruppen." Und der Präsident unterbreitet seinen
Zeitvorschlag: "Ich möchte morgen Früh mit bilateralen Verhandlungen
beginnen, eine Gruppe nach der anderen."

Entsetzen in den Gesichtern der EU-Minister. Trittin beugt sich nach vorn,
schaut ungläubig und fährt sich mit der Hand durchs Haar. "Das Vorgehen gibt
Ihnen Zeit zu schlafen", schiebt Pronk hinterher, "das ist gut, denn Sie
arbeiten am besten nach einer guten Nachtruhe." Mehrere Minister versuchen
das Vorgehen zu beschleunigen. Allen voran Raul Estrada von der
argentinischen Delegation. Doch Pronk bleibt hart.

Sollte das Protokoll scheitern, wäre dieser Moment der entscheidende
gewesen. Katerstimmung bei der deutschen Delegation, die sich hinterher um
einen Tisch in der Lobby versammelt, während eine Delegierte Bier holt. Die
Deutschen wollten die Verhandlungen des Papiers bis 6 Uhr früh am Sonntag
halbwegs über die Bühne haben. Denn um 8 Uhr hatten sich die Regierungschefs
in Genua Zeit genommen, um über das Klimaprotokoll zu reden. Das macht aber
nur Sinn, wenn es dann nur noch um ein, zwei offene Fragen in einem
ansonsten geschnürten Paket geht. Auf die Frage, ob aus Genua noch mit
nennenswerter Unterstützung zu rechnen sei, antwortet Trittin lakonisch:
"Genua? Wo liegt das?"

Der Argentinier Raul Estrada war es, der 1997 im japanischen Kioto das
Protokoll durchpeitschte, dessen Details nun in Bonn verabschiedet werden
sollen. Dies gelang dem legendärem Verhandlungsführer nur, weil er die
Delegierten müde verhandelte. "Pronk macht denselben Fehler wie schon in Den
Haag", klagt Jürgen Maier vom Forum Umwelt und Entwicklung. "Er verschiebt
die entscheidenden Verhandlungen auf den letzten Moment." Pronk aber will
sich die Show nicht von den Staatschefs auf dem G-8-Gipfel stehlen lassen.
Er, der in Den Haag so grandios gescheitert ist, will es diesmal allen
zeigen: Er kann einen Gipfel zum Erfolg führen.

Die Stimmung bei den Deutschen hellt sich etwas auf, als schließlich um halb
zwölf das Pronk-Papier ausgeteilt wird: Es ist, wie die EU-Unterhändler in
nur 45 Minuten feststellen, ein schwieriger Kompromiss, aber akzeptabel.
Trittin ist der Erste, der es am Sonntagmorgen öffentlich sagt: "Wenn die
Frage sich stellt, ob man das so annimmt oder ablehnt, würde die EU und auch
die Bundesrepublik das akzeptieren."

Hoffnung kommt auf unter den Gipfelteilnehmern. Trittin bemüht sich
klarzustellen, dass man den Pronk-Entwurf nur ablehnen oder ihm zustimmen
kann, nicht aber weiter darüber verhandeln kann. Schließlich hatte Pronk am
Abend noch so ungeschickt davon gesprochen, sich am Sonntag "die Vorschläge"
der Ländergruppen anhören zu wollen. Bloß keine weiteren Verzögerungen, bloß
das Paket nicht wieder öffnen, so die Devise der EU, schließlich wollen am
Sonntagabend die ersten Minister aus den Reihen der Entwicklungsländer
abreisen.

Das ist freilich Kanada und Japan alles egal. Sie präsentieren Pronk noch in
der Nacht 28 Änderungsvorschläge. "Mehr als unverschämt", klagen
Umweltschützer verzweifelt. Auch sie könnten überwiegend mit dem Kompromiss
leben - "wenn wir auch viele Kröten schlucken müssten", so Stephan Singer
vom WWF. Denn Tagungspräsident Pronk hat Japan und Kanada enorme
Zugeständnisse gemacht.

Vor allem bei den so genannten Senken. Damit ist alles gemeint, was
Kohlenstoff im Boden oder in Pflanzen bindet. Nicht nur würde es generell
erlaubt sein, sich Klimagutschriften anrechnen zu lassen durch die
Aufforstung von Wäldern. Auch der Anbau von Plantagen, Forstmanagement, ja
selbst der Schutz vor Wäldbränden und weniger Bodenbearbeitung beim Ackerbau
(Umweltschützerspott: "Flacher pflügen!") bringen Gutschriften, die den
Industriestaaten erlauben, anderswo mehr Treibhausgase in die Luft zu
blasen. Dabei sind diese Maßnahmen kaum kontrollierbar und wissenschaftlich
umstritten. Damit nicht genug: Während in Pronks Papier bei allen anderen
Staaten dieses Mittel eng begrenzt ist auf rund ein Prozent ihrer
Klimaverpflichtung, dürfen Kanada, Russland und Japan dieses Schlupfloch
großzügig einsetzen. Ja sie bekamen sogar etwas mehr, als sie gefordert
hatten.

Insgesamt vier Themen waren zu Beginn der Verhandlungen strittig zwischen EU
und der so genannten Umbrella-Gruppe, in der Japan, Australien und Kanada
den Ton angeben: Erstens das Ausmaß der Senken. Zweitens, ob ein Land den
Großteil seiner Verpflichtung zu Hause erfüllen muss. Drittens, ob man sich
einen Klimabonus anrechnen darf, in dem man Atomkraftwerke in anderen
Ländern errichtet. Und viertens, wie stark die Einhaltung des Klimaziele
kontrolliert und bei Nichterfüllung bestraft wird.

Pronk kam der Umbrella-Gruppe in Punkt eins und zwei komplett entgegen: jede
Menge Senken und keine Vorschrift für den Anteil zu Hause. Im Punkt drei gab
er der EU-Position den Vorzug: keine Förderung der Atomkraft für den
Klimaschutz. Und im Punkt vier kam er der EU weit gehend entgegen: strenge
Kontrolle und eine Strafe für Klimasünder. Wer bis 2010 weniger als
vorgeschrieben reduziert, muss entsprechend mehr Treibhausgase in der
nächsten Buchungsperiode bis 2020 einsparen - plus einem Strafaufschlag von
30 Prozent.

Während die EU signalisierte, mit den Zugeständnissen leben zu können, kam
zunächst von den Entwicklungsländern Protest: Sie vermissen vor allem
definitive finanzielle Hilfszusagen und Technologietransfer. Am
Sonntagvormittag gelang es der EU, diese Bedenken zu zerstreuen, in dem man
weitere Hilfen über das Pronk-Papier hinaus anbot: gut eine halbe Milliarde
Dollar jährlich.

Japan und Kanada blieben auch in den ersten Verhandlungen direkt mit der EU
am Sonntagmittag hart. Mindestens acht Punkte seien für sie über das
Pronk-Papier hinaus absolut unverzichtbar: Vor allem Atomkraft und weniger
Sanktionen bei Nichterfüllung. Zu diesem Zeitpunkt löste sich der G-8-Gipfel
in Genua bereits mit einer allgemeinen Erklärung auf. Die historische
Chance, über die Staatschefs eine politische Einigung über die letzten ein,
zwei offenen Fragen zu erzwingen, war endgültig verpasst. In Bonn war das
gemeinsame Ministerplenum zu Pronks Vorschlag noch immer nicht zustande
gekommen, hatte sich außer der EU niemand offiziell zum Pronk-Vorschlag
verhalten.

Trotzdem keimten in der deutschen Delegation am späten Nachmittag wieder
Hoffnungen auf: Denn die Umbrella-Gruppe begann langsam zu zerfallen. Nicht
nur Neuseeland, auch Norwegen wandte sich enttäuscht von Japan, Kanada,
Australien und deren Erpressungspolitik ab. Sie signalisierten ihre
Zustimmung zum Pronk-Papier. Und auch Umbrella-Mitglied Russland bewegte
sich einen Schritt auf die EU zu. Dies ist vermutlich einem der wenigen
Impulse aus Genua geschuldet: Dort hatte Kommissionspräsident Romano Prodi
mit Russland ein Kooperation im Klimaschutz mit Staatschef Wladimir Putin
ausgehandelt: Putin versprach Einnahmen aus dem Handel mit Klimazertifikaten
in effizientere Energieverwendung in seinem Land zu investieren. Prodi
versprach im Gegenzug technische Hilfe.

Die Zeit lief gestern gegen die EU. Und eine weitere Vertagung wäre, so
vermuten Umweltschützer, vermutlich verheerend. Denn dieses Mal waren die
USA noch mit einer Delegation angereist, die zum größten Teil noch aus
Clintons Leuten bestand. Bis zum nächsten Mal will Bush sie alle durch
republikanische Hardliner ersetzt haben - und eine eigene Klimainitiative
vorschlagen. Dann spätestens wäre es mit der Zurückhaltung der Amerikaner
vorbei - Japan könnte sich wieder hinter seinem Allierten verstecken.

Auch für den eigensinnigen Jan Pronk wäre eine Vertagung ein Blamage: Er ist
nur noch dieses Mal Präsident der Klimakonferenz.

taz Nr. 6503 vom 23.7.2001, Seite 6, 239 TAZ-Bericht, MATTHIAS URBACH



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