Den tyske venstresidens hovedorgan taz bringer en god kommentar til den
danske folkeavstemningen. Heri slås fast, at det er EU som har noe å lære av
det danske demokrati, ikke omvendt det danske demokrati som må vike for det
europeiske formynderi, slik flomme-europatenes totalitære visdom vil ha det
til.
Karsten Johansen
http://www.taz.de/tpl/2000/10/06.nf/text?Tname=a0134&list=TAZ_me&idx=0
Sachlichkeit statt Populismus
Die Dänen haben gegen den Euro gestimmt. Trotzdem zeigt das Referendum:
Direkte Demokratie verhindert parteipolitische Spielchen. Eine Lektion für
Deutschland
300 Millionen Europäer werden im Jahr 2002 die endgültige Abschaffung ihrer
nationalen Währungen erleben. Keinem von ihnen ist zuvor die Frage gestellt
worden, ob sie den Euro wollen oder nicht. Und nun haben die gerade einmal
vier Millionen, die als Erste eine Antwort geben durften, prompt zu 53,1
Prozent Nein gesagt. Dänemark erteilt Europa einmal mehr eine Lektion in
direkter Demokratie, was hier zu Lande der Forderung nach
EU-Volksabstimmungen erneut Nachdruck verleihen sollte.
Ein dänisches Ja zum Euro wäre vermutlich als Sieg ökonomischer Vernunft und
als integrationspolitisches Signal von gesamteuropäischer Ausstrahlung
gewertet worden. So aber wird die politische Bedeutung des Volksentscheids
klein- und die Gefühlswelt der Dänen großgeredet. Wenn eine Volksmehrheit
nicht bereit ist, der angeblich wohl begründeten Empfehlung einer
überwältigenden Allianz aus Regierungs- und Oppositionsparteien,
Wirtschaftsverbänden und Gewerkschaften, Presse und Fernsehen zu folgen,
kommen als Gründe offenbar nur irrationale Identitätsängste und
populistische Verführung in Frage. Zum Beleg verweisen besonders deutsche
Medien auf die Dänische Volkspartei Pia Kærsgaards, der als skandinavische
Ausgabe von Jörg Haiders FPÖ die Schlüsselrolle für das Anti-Euro-Votum
zugesprochen wird.
Angesichts eines vermeintlich von Emotionen und Fremdenfeindlichkeit
getragenen Neins zum Euro sehen sich in Deutschland jene bestätigt, die
Volksabstimmungen für ein untaugliches Instrument der Europapolitik halten.
Dieser Schluss jedoch ist falsch, weil der Befund nicht stimmt. Das dänische
Nein zum Euro beruht weder auf mangelndem Sachverstand, noch ist es das
Ergebnis einer populistisch aufgeheizten Volksseele. Im Gegenteil belegt das
Beispiel Dänemarks, dass Volksabstimmungen verhindern können, was in
Deutschlands repräsentativer Demokratie durchaus zu beobachten ist:
populistische Machtspiele auf Kosten Europas.
Dänemark hat eine sachliche Debatte über die Vor- und Nachteile des Euro
geführt. Das zentrale Argument der Euro-Gegner war die Warnung vor der
politischen Dynamik, die eine Mitgliedschaft in Euroland entwickeln würde.
Dahinter steht die plausible Annahme, dass mit der Einführung einer
gemeinsamen Währung auch die politische Zusammenarbeit nachhaltig vertieft
werden soll, ja sogar muss, um den Euro nicht scheitern zu lassen. Geld
macht Staat. Dieser Zusammenhang gilt überall in Europa als
selbstverständlich. Wie konkret bereits über die Staatswerdung Europas
nachgedacht wird, zeigt nicht zuletzt die Diskussion über Joschka Fischers
Plädoyer für eine europäische Föderation. Wer sich jedoch erst gar nicht zum
Nachdenken über die "Vereinigten Staaten von Europa" zwingen lassen möchte,
der muss konsequenterweise auch die Währungsunion ablehnen. Nichts anderes
hat die Mehrheit der Dänen getan. Josef Joffe hat im Tagesspiegel angeregt,
Joschka Fischer möge Dänisch lernen, um unseren mutmaßlich verstockten
Nachbarn die Vision einer staatlichen Föderation Europas endlich begreiflich
zu machen. Unnötig: Die Dänen haben den Euro verworfen, weil sie Fischer
bereits im Original richtig verstanden haben.
Man mag bedauern, dass die Dänen nicht bereit sind, den europäischen Weg
über die Währungsunion zur staatlichen Föderation mitzugehen. Eine solche
Euro-Skepsis ist jedoch rational nachvollziehbar und legitim - und sie hat
auch wesentlich mehr zum Euro-Nein beigetragen als die Fremdenfeindlichkeit
der Dänischen Volkspartei. Diese bildet nämlich nur den kleineren rechten
Flügel einer parteipolitisch breiten Anti-Euro-Bewegung, die ebenso
Christdemokraten und Liberale umfasst, deren Hauptgewicht aber bei
Sozialisten und Rot-Grünen liegt. Stimmentscheidend waren die Widerstände an
der Basis der großen Ja-Parteien. Ein Viertel der liberal-konservativen und
sogar die Hälfte der sozialdemokratischen Wähler stimmte gegen den Euro.
Die ideologische Heterogenität der dänischen Euro-Opposition erklärt auch,
warum die Volkspartei ihre Ausländerfeindlichkeit ausdrücklich aus dem
Abstimmungskampf ausgeklammert hat. Der Schritt erfolgte nicht freiwillig,
sondern auf Druck der übrigen Parteien und Gruppen, die befürchteten, dass
Kærsgaards rassistische Rhetorik links orientierte Euro-Gegner abschrecken
würde. Die erzwungene Geschlossenheit der Nein-Seite hat dazu geführt, dass
fremdenfeindlicher Populismus tatsächlich keine Rolle in der dänischen
Debatte gespielt hat. Sonst wäre eine Mehrheit gegen den Euro nicht möglich
gewesen.
Volksabstimmungen erzwingen die Bildung breiter politischer Allianzen, in
denen extremistische Positionen hinter dem gemeinsamen Ziel der
gesellschaftlichen Mehrheitsbildung zurücktreten müssen. In Deutschland kann
dieser Mechanismus nicht wirksam werden, weil die Europapolitik nur von den
Bundestagsparteien bestimmt wird, die ihrerseits politisches Kapital aus
diffusen Anti-EU-Stimmungen schlagen. Vorgemacht hat dies Gerhard Schröder,
als er sich im Bundestagswahlkampf 1998 zum Anwalt gesellschaftlicher
Euro-Skepsis erhob. Gleiches tat seinerzeit auch der CSU-Landespolitiker
Edmund Stoiber, um seine Wiederwahl als bayerischer Ministerpräsident zu
sichern. Selbstverständlich sind weder Schröder noch Stoiber erklärte
Euro-Gegner. Dies jedoch hielt sie nicht davon ab, zur Steigerung der
eigenen Popularität einen latenten DM-Nationalismus zu bedienen.
Bei der EU-Erweiterung besitzt dieser Populismus von oben noch erhebliches
Steigerungspotenzial. Zwar treten alle Bundestagsparteien programmatisch für
die Aufnahme der mittel- und osteuropäischen Staaten ein. Gleichwohl wollen
CDU/CSU die Osterweiterung zum Oppositionsthema bis zu den nächsten
Bundestagswahlen machen. Besonders in den östlichen Grenzländern zwischen
Schwerin und München wird die Versuchung wachsen, antipolnische oder
antitschechische Ressentiments parteipolitisch zu missbrauchen. Wie
erfolgreich dies bei Landtagswahlkämpfen praktiziert werden kann, zeigt die
hessische CDU und ihre fremdenfeindliche Kampagne gegen das neue
Staatsbürgerschaftsrecht. Auch beim Thema Osterweiterung kann man leicht
"Integration" auf seine Fahnen schreiben, aber gezielt jene anlocken, die
"gegen die Ausländer" unterschreiben wollen.
Das parteipopulistische Spiel mit Europa kann fortgesetzt werden, solange
gesellschaftliche Euroskepsis keine Folgen für europapolitische
Entscheidungen haben kann. Im Falle einer Volksabstimmung wäre es damit
vorbei. Doppelzüngige Kampagnen à la Roland Koch wären politisch zu riskant,
weil sie sich am Tag der Stimmenauszählung rächen könnten.
EU-Volksentscheide wie in Dänemark würden die Parteien disziplinieren und
dazu zwingen, europapolitisches Reden und Handeln in Einklang zu bringen.
Dann könnte auch der allseits geforderte Dialog mit den Menschen endlich
beginnen. CARSTEN SCHYMIK
Hinweise: Joschka Fischer muss nicht Dänisch lernen. Die Dänen haben ihn
bereits im Original richtig verstanden. Weder Schröder noch Stoiber sind
erklärte Euro-Gegner. Trotzdem bedienten sie den DM-Nationalismus.
taz Nr. 6263 vom 6.10.2000, Seite 11, 241 Zeilen Kommentar CARSTEN SCHYMIK ,
taz-Debatte
This archive was generated by hypermail 2b29 : Fri Oct 06 2000 - 16:43:49 MET DST